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Die Verstörung | Theaterregie

Weihnachten in irgendeiner Stadt, ein bitterkalter Winter. Menschen sehnen sich nach Halt und Geborgenheit. Doch alle Wünsche, die sich auf diesen Abend richten, nach dem Erlebnis von Gemeinschaft oder gar Nähe, werden enttäuscht. Ihre Entwürfe von Ehe, Familie oder Partnerschaft sind längst gescheitert.

Falk Richters Stück markiert eine Gesellschaft im Übergang. Die allgegenwärtige Überforderung in Beruf und Privatleben übersteigt das menschlich Mögliche. Die Abhängigkeit von den digitalen Medien dient als Ausdruck kommunikativer Regression und ihre Prothesen scheinen -wie bei den meisten Drogen- die Sucht danach nur noch zu erhöhen. Das Scheitern der Figuren erzeugt verstörende und schreiend komische Situationen in der realen Welt der pochenden Herzen.

Holger Bergmanns Inszenierung erzählt vom Abschied von der Ich-Erkundung innerhalb der Konstrukte von Beziehung, Familie oder Rolle. Sie richtet den Blick auf die Verlagerung der Beziehungsräume und Liebesträume ins Virtuelle und hinterfragt die Möglichkeiten moralischer Bewertung. Die Überlagerung und Verschränkung von realen und virtuellen Identitäten scheint im digitalen Zeitalter nur eine Gewissheit hervorzubringen: Du kannst Dir niemals sicher sein.

mit Jürgen Albrecht, Ruth Hengel, Randolph Herbst, Christiane Nothofer,
 Andreas Spaniol und Elisabeth Wolle
Regie Holger Bergmann 
Bühne Stefanie Dellmann Kostüm Anne Bentgens
Dramaturgie Matthias Frense Regieassistenz Henning Gebhard
Foto: Stephan Glagla



Holger Bermann inszeniert Die Verstörung

WAZ | Kultur Margitta Ulbricht
Holger Bermann inszeniert �Die Verst�rung�
Foto:Björn Stork

Mülheim.  Mit dem Stück "Die Verstörung" von Falk Richter hat sich Bergmann nun an die Verschiebungen in der Gesellschaft im digitalen Zeitalter herangewagt.

Ein eher selten an deutschen Bühnen gespielter Stoff des angesagten Autors zeitgenössischer Dramatik. Falk Richters bekannteste Stücke wie "Gott ist ein DJ" sind in 15 Sprachen übersetzt.

"Die Verstörung" hatte am Wochenende im Ringlokschuppen Premiere. Ein rasanter Heiligabend mit dem elektronischen "Popcorn"-Sound im genormten Palettenlager auf der Bühne, wo es blinkte, knallte und krachte, wo das junge Ensemble energiegeladen die permanente Überforderung einer multimedialen Gesellschaft im Umbruch präsentierte. Nach kurzweiligen 80 Minuten hat sich der eine oder andere im Publikum wohl  staunend gefragt, ob so kurzweilig  und rasant zeitgenössisches Theater sein kann. Ja, Bergmann zeigt das performative Form und beste Unterhaltung keine Gegensätze sind. Mit "Die Verstörung" gilingt eine Theatercollage aus Schauspiel, Choreographie und Musik, die den Nerv der Zeit und die zwiespältige Gefühlslage trifft. In der Komplexität eines sich immer schneller drehenden, zunehmend virtuellen Weltgefüges fragt man sich: Was ist noch Wirklichkeit und wie wird die Zukunft sein? Verstörungen inklusive...."